Jennifer Holleis

Was machen unsere Studierenden nach ihrer Ausbildung am FIM? Heute stellen wir Ihnen Jennifer Holleis vor. Vielen Dank für den tollen Beitrag!

 

Am besten fängt man ja mit dem aktuellsten Detail an: Am 12. März 2021 ist im Reclam Verlag mein Buch über das Kriegstagebuch der Stuttgarterin Anna Haag erschienen – ein Jahr Arbeit liegt jetzt zwischen Hardcover-Buchdeckeln vor mir. Was Anna Haag mit dem FIM verbindet? Ja, das kam so:

Ich habe 2011 an der Fachakademie meinen Abschluss als Übersetzerin und Dolmetscherin (Englisch, Spanisch, Wirtschaft) gemacht und bin direkt nach England gezogen, um an der University of Sussex einen Master (dank des FIM-Abschlusses) in Global Political Economy zu beginnen. Im Intranet stand eines Tages eine Jobausschreibung vom Gründer des German-Jewish Instituts, Professor Edward Timms, der eine wissenschaftliche Assistentin fürs Bücherschreiben suchte. Edward (den jeder nur Ted nannte) und ich haben uns auf Anhieb gut verstanden und so radelte ich mehrfach die Woche von meiner WG in Brighton am Meer entlang zum Hügel über dem Hafen, um mit Ted an einem Karl Kraus Buch zu arbeiten. Darauf folge ein zweites Kraus Projekt – und schließlich unser erstes Anna Haag Buch – da Ted mit Annas Enkeltochter befreundet war.

Das war 2013, ich lebte schon in Tel Aviv, aber Ted und unsere Bücher sind mir so ans Herz gewachsen, dass ich jedes Jahr im Frühjahr und im Sommer nach Brighton flog, um mit ihm zu arbeiten (und um der Schwüle und hohen Temperaturen zu entkommen, die nur dann toll sind, wenn man nicht arbeiten muss und am Strand liegen kann). Aus dem ersten englischen Anna Haag Buch folgte 2019 eine deutsche Übersetzung (mit deutscher Erweiterung von mir)…und bei den Lesungen in Deutschland kam immer wieder die Frage nach dem ganzen Kriegstagebuch auf. Da Ted 2018 gestorben war, hat der Reclam Verlag mich gefragt – und zack ist der Bogen gezogen zu Anna und dem FIM.

Aber damit ist es noch nicht getan: Seit 2016 bin ich in Berlin, und 2018 habe ich mich am Gericht vereidigen lassen – das ist eine höchstoffizielle Prozedur, bei der man außer dem FIM-Abschlusszeugnis noch eine Reihe weiterer Unterlagen einreichen muss – aber die größte Challenge ist nicht der Papierkram, das ist für FIM-Absolventen easy, sondern die Fristen einzuhalten….über vier bis sechs Monate bekommt man Briefe mit kurzen Fristen für weitere Papiere….wer diese Hürde überwunden hat, wird vereidigt (ganz offiziell mit Schwur auf die Bibel oder das Grundgesetz (ich hab mich fürs Grundgesetz entschieden) und bekommt eine Urkunde. Seitdem dolmetsche ich am Standesamt bei Hochzeitsanmeldungen und Hochzeiten, vor Gericht und der Polizei und mache beglaubigte Übersetzungen von Urkunden (die sind übrigens sehr gut bezahlt, für alle, die sich das überlegen wollen….). Auch bei Konferenzen dolmetsche ich (wichtig beim Kostenvoranschlag: Vorbereitungszeit einberechnen! Je nach Thema kann eine dreistündige Konferenz locker neun Stunden Vorbereitung erfordern), oder Reden (Flüsterdolmetschen oder mit Mikro, alles andere ist mir noch nicht untergekommen).

Insofern war die FIM-Zeit wirklich lebensprägend – nicht nur professionell. Auch privat denke ich gerne an das Backsteingebäude zurück, an die Leberkassemmeln von Klaus und die Möglichkeit, immer einen Ansprechpartner zu haben. Danke! Und nachdem einige von uns inzwischen in Berlin sind, ist immer noch ein bisschen FIM in meinem Leben.

Jennifer Holleis
Journalist, Global Political Economy (M.A.); sworn-in translator & interpreter for the English language